
Sie wollten Philosophie buchstäblich erfahren. Drei Spurensucher reisen in einem Bus quer durch Deutschland, besuchen die Lebensstationen des Philosophen Hans Blumenberg, sprechen mit Menschen, die ihn gekannt haben, diskutieren seine Gedanken. Eine aufregende Spurensuche nach jemandem, der Zeit seines Lebens nicht hatte sichtbar sein wollen, die letzten Lebensjahre die Höhle seines Arbeitszimmers nicht mehr verließ – wenngleich er mit seinen Phantasien gern bis in den Weltraum vorstieß.
Ausgangspunkt ist Blumenbergs Heimatstadt Lübeck, von hier folgen die Drei dem langen Weg seines Lebens und Denkens. Er führt sie über Münster, Heidelberg, Marbach, Stuttgart, München bis nach Zürich. An all diesen Orten kommen Zeugen zu Wort, die den Philosophen Hans Blumenberg noch gekannt haben, die von seinem Charakter und unglaublichen Präsenz berichten. Während der Fahrt steigen auch Gäste in den Bus, die Facetten seines Werkes zur Sprache bringen. Wie in einer fotografischen Dunkelkammer tritt so aus dem Schemen der vermeintlich bild- und tonlosen Person eine vielschichtige Figur hervor.
Da ist zunächst der hochbegabte Schüler, 1939 der beste Abiturient seiner Schule, ja ganz Schleswig-Holsteins. Der dann – als sogenannter Halbjude – Anfeindung, Verfolgung, Lebensgefahr ausgesetzt war, sich in letzter Minute für einen Monat auf einem Dachboden in Lübeck verstecken musste. Dann sehen wir den nach dem Krieg hochanerkannten Denker und Theoretiker, der die Entwicklung des europäischen Denkens in seinen viel-seitigen Büchern verständlich macht. Nicht akademisch lebensfern, sondern immer auf der Suche nach den Motiven des Denkens und den Fragen, auf die unsere Kultur die Antwort ist. Blumenberg analysiert, wie der Mensch sich gegen den »Absolutismus der Wirklichkeit« wehrt, wie der Mensch sein Leben für zu kurz und die Welt immer für zu unermesslich hält.
Als die Studenten in den sechziger Jahren auf die Barrikaden gingen, zog er sich endgültig zurück; ein öffentlicher Intellektueller wollte er nicht sein – und hatte dennoch oftmals einen schärferen Blick auf die Zeitläufte als manch anderer. Seine „Nachdenklichkeit“ wollte sich immer unmittelbarer Verwertung entziehen – der ökonomischen wie der politischen – und leistete auf seine Art Widerstand.
Gegen Ende seines Lebens trat er dann doch wieder an die Ãffentlichkeit: als brillanter Essayist in der FAZ und in der NZZ, aber auch in kleinen Büchern voll geistreicher und stilistisch funkelnder Aphorismen und Kommentare. Nicht zuletzt, weil so viel nach seinem Tod publiziert wurde und vieles noch im Archiv schlummert, wird die immense Fülle seines Denkens erst nach und nach bewusst.
Erst kürzlich entdeckte Tonbandmitschnitte seiner Vorlesungen lassen den Philosophen, einen der wortmächtigsten und gedankenreichsten der Nachkriegszeit, in diesem philosophischen Roadmovie selbst zu Wort kommen. Während im Bus diskutiert wird, ertönen aus der Hutablage seine Stichworte, aber auch seine Einsprüche. Der große Unsichtbare, der zu Lebzeiten nie Interviews gab, erhält eine Stimme – und mehr als ein Gesicht, weil von ihm, der nur zwei offizielle Foto duldete, hier zum ersten Mal auch private Bilder zu sehen sind.